Kleider machen Leute
Gottfried Kellers humoristische Novelle vom armen Schneiderlein, das überschwängliche Sehnsüchte hegt, im Nachbarort als Hochstapler auftritt und schließlich von der Menge enttarnt wird, ist als Lektüre aus dem Deutschunterricht weithin bekannt. Alexander von Zemlinsky schuf daraus eine Oper voller Charme, Witz und psychologischem Einfühlungsvermögen, in der weit mehr steckt als nur ein Moralisieren über Sein und Schein. Der Schneider Wenzel Strapinski schlüpft nicht aus Großmannssucht in die Rolle eines polnischen Grafen, sondern ergibt sich eher passiv den Zuschreibungen der Goldacher Bürger, die ihre eigenen Sehnsüchte auf ihn projizieren – nicht ohne ihn zugleich dafür zu hassen.
Stephan Märki spürt in seiner Inszenierung den vielfältigen Themen in dieser Geschichte nach, die von der Diskrepanz zwischen Selbstwahrnehmung und öffentlicher Wahrnehmung, Traum und Realität erzählt, in der es aber auch um ein Künstlerschicksal und eine schmerzhafte Außenseitererfahrung geht.